Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag über zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidbeihilfe abgestimmt. Keiner der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe hat eine Mehrheit gefunden. Die Diakonie Deutschland sieht dies als Chance, um zu überzeugenderen Lösungen zu kommen. Denn beide Entwürfe hätten wichtige ethische und praktischen Fragen noch offen gelassen.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie würdigte die bisherige engagierte Debatte, die aber weitergehen müsse.
"Bei einer gesetzlichen Regelung des assistierten Suizids sollten Selbstbestimmung und Lebensschutz gut ausbalanciert werden. Menschen mit Suizidwünschen müssen ernst genommen und angenommen werden. Andererseits darf eine gesetzliche Regelung nicht - auch nicht unbeabsichtigt - zu einer Gewöhnung an den assistierten Suizid führen. Dieser muss eine besondere Ausnahme bleiben. Wir sollten in Ruhe weiter diskutieren, was Menschen mit Sterbewunsch gerecht wird, ohne dass der assistierte Suizid zur Normalität wird."
Neben den Entwürfen zur Suizidassistenz stimmte der Bundestag auch über einen fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag zur Suizidprävention ab, der eine breite Mehrheit fand. Lilie wertete dies als einen großen Erfolg.
"Neben vielen anderen haben auch wir immer dafür plädiert, dass die Regelung wirksamer Prävention Vorrang hat. Der Antrag umfasst schon viele der Punkte, für die wir uns stark gemacht haben. Die genaue Ausgestaltung der Prävention ist allerdings noch offen. Wir stehen der Politik gerne beratend zur Seite. Positiv ist schon einmal, dass der Antrag einen ambitionierten Zeitplan verfolgt."
Der Diakonie-Präsident appelliert an die Bundesregierung, die Suizidprävention und Palliativversorgung deutlich besser aufzustellen als bisher.
"Ein wirksames Suizidpräventionsgesetz ist von entscheidender Bedeutung. Die bisherige Debatte hat die bestehenden blinden Flecken bei der Prävention und der Palliativversorgung deutlich gemacht. Ein mit entsprechenden Ressourcen ausgestattetes Präventionsgesetz könnte zu echten Fortschritten bei einer flächendeckenden Palliativversorgung führen und die psychosoziale Betreuung in Krisen deutlich verbessern."
Die Diakonie Deutschland hat sich in einem breiten Bündnis von Verbänden und Fachgesellschaften an die Mitglieder des Deutschen Bundestags gewandt und Eckpunkte für ein Suizidpräventionsgesetz vorgeschlagen. Dazu gehören der Aus- und Aufbau sowie die ausreichende Finanzierung und Vernetzung regionaler und überregionaler suizidpräventiver Angebote, die Vernetzung dieser Angebote im Rahmen einer bundesweiten Informations- und Koordinationsstelle, die Finanzierung von Suizidpräventionsangeboten für Risikogruppen sowie für junge und ältere Menschen, der Ausbau der Hospizarbeit und Palliativversorgung, die Trauerbegleitung sowie die Förderung der seelischen Gesundheit und die Förderung des gesellschaftlichen Diskurses über den Umgang mit Lebenskrisen.
Hintergrund:
Im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Eine bis dahin geltende strafrechtliche Regelung, die auch die organisierte Suizidassistenz durch Sterbehilfeorganisationen verboten hatte, erklärte das Gericht für verfassungswidrig. Seitdem wird im Bundestag über eine mögliche Folgeregelung diskutiert.
Im Juni hatten zunächst die Abgeordnetengruppen um Renate Künast und Katrin Helling-Plahr einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Suizidassistenz sowie einen Entschließungsantrag zur Suizidprävention anstelle von zwei früheren Gesetzentwürfen vorgelegt. Die Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci hat ihren bisherigen Gesetzentwurf zur Suizidassistenz noch einmal überarbeitet. Zwischenzeitlich hatten sich auch die Bundesärztekammer, das Nationale Suizidpräventionsprogramm, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde und die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin für eine weitere und tiefergehende Beratung der Gesetzentwürfe ausgesprochen.
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Selbstbestimmt sterben