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Diakonische Forderungen zur Novellierung des Präventionsgesetzes – eine Aktualisierung

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die in der Coronavirus-Pandemie gemacht wurden einerseits und Konstruktionsproblemen des Präventionsgesetzes andererseits aktualisiert die Diakonie Deutschland ihre präventionspolitischen Positionen zur Novellierung des Präventionsgesetzes.

Mit dem vorliegenden Papier "Diakonische Forderungen zur Novellierung des Präventionsgesetzes – eine Aktualisierung" (März 2023) engagiert sie sich für folgende Anliegen (Zusammenfassung):

Konzeptionelle Ausrichtung

Die Präventionspolitik und die präventive Praxis müssen, um gesundheitliche und geschlechtsbezogene Ungleichheit zu verringern, stärker Lebenslagen gesundheitsförderlich gestaltet werden. Auch verhaltenspräventive Maßnahmen müssen sich an Lebenslagen ausrichten.

  • Deutlicher als bislang muss Prävention auf vulnerable Gruppen ausgerichtet sein, auch auf Personen, die chronisch krank, behindert oder pflegebedürftig sind.
  • Prävention muss stärker partizipativ gestaltet werden, denn die Personen, um die es geht, sollen ihre Lebensbedingungen mehr selbstbestimmen.
  • Projekte, die sich bewährt haben, müssen verstetigt werden. Dazu braucht es einen Mechanismus.
  • Prävention muss inklusiv ausgerichtet werden, um Gesundheit und soziale Teilhabe für Menschen mit Behinderungen zu unterstützen.
  • Eine vielfältige Beratungslandschaft in den Ländern und Kommunen muss gesichert werden; dazu können auch Vereinbarungen der Partner der Landesrahmenvereinbarungen nach § 20f SGB V beitragen.
  • Prävention ist sozialräumlich zu gestalten, denn die Gestaltung des Quartiers bzw. der Kommunen hat großen Einfluss auf Gesundheit und Teilhabe. Die Etablierung von Präventionsketten ist ein Beitrag dazu.

Steuerung und Finanzierung

  • In einer Bundespräventionskonferenz werden Bundesrahmenempfehlungen mit konkreten Vorhaben erarbeitet und vereinbart welcher Präventionsträger in welcher Form dazu beiträgt. Die bisherige Fixierung auf die Krankenkassen wird überwunden. Die Zivilgesellschaft (z.B. die Verbände der Wohlfahrtspflege und die Selbsthile) wird an der Erarbeitung beteiligt. Ein Beirat berät zu Fragen der Umsetzung und Weiterentwicklung.
  • Auch die Landesrahmenempfehlungen werden verbindlicher und unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft erarbeitet.
  • Ein gestärkter Öffentlicher Gesundheitsdienst sollte in den Ländern und Kommunen Koordinierungsaufgaben in der Prävention wahrnehmen.
  • Die Aufgaben des Bundes sind neu zu bestimmen. Hierzu macht die Diakonie Vorschläge zur Aufgabenbeschreibung des zu gründenden Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit.
  • Die Präventionsberichterstattung sollte auf das Robert Koch-Institut übertragen werden.
  • Die lebensweltbezogenen Maßnahmen der Krankenkassen und die präventiven Leistungen der Pflegekassen werden gemeinsam und einheitlich erbracht.
  • Bei der Erarbeitung des Leitfadens Prävention der Kranken- und Pflegekassen sind die Zivilgesellschaft, die Verbände der behinderten Menschen und der Wohlfahrtspflege zu beteiligen.
  • Die Finanzierung der Prävention ist neu zu regeln: Bund und Länder müssen sich stärker finanziell beteiligen; die verhältnisbezogenen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen werden durch den Bund refinanziert.

Impulse zu einzelnen Handlungsfeldern

  • Prävention mit pflegenden Angehörigen: Für Vorsorgeleistungen mit pflegenden Angehörigen (wie schon bei der med. Rehabilitation bei pflegenden Angehörigen) sollte der Grundsatz ambulant vor stationär aufgehoben werden; die Kapazitäten in med. Rehabilitation und Vorsorge sind für pflegende Angehörige auszubauen; vor- und nachstationäre Beratungs- und Betreuungsleistungen für Mütter, Väter und pflegende Angehörige sind im SGB V zu verankern.
  • Prävention und Gesundheitsförderung in den (stationären) Pflegeeinrichtungen nach SGB XI: Prävention und Gesundheitsförderung müssen in Zukunft auch in der ambulanten Pflege möglich sein; die präventiven Leistungen müssen kassenübergreifend gemeinsam erbracht werden; der Leitfaden Prävention für die Pflegeeinrichtungen (und -dienste) ist in Zukunft gemeinsam mit den Leistungserbringern und der Zivilgesellschaft zu erarbeiten.
  • Betriebliche Prävention: Die Diakonie Deutschland regt an, die Informations-, Beratungs- und Unterstützungsstruktur für die Unternehmen und die Beschäftigten sozialleistungsträgerübergreifend zu verzahnen. In den Rahmenverträgen und Vergütungsvereinbarungen für die Pflegeeinrichtungen müssen ermöglichende Bedingungen für die betriebliche Prävention vereinbart werden
  • Suchtprävention: Verhältnispräventive Schritte zur Verringerung riskanten Suchtmittelkonsums müssen ergänzt werden um eine abgestimmte und transparente Strategie der verschiedenen Akteure, die Sicherung der Suchtfachkräfte und die Verankerung der Suchtberatung als kommunale Pflichtaufgabe.
  • Prävention mit Kindern, Jugendlichen und Familien: Alle Präventionsakteure, einschließlich die Kinder- und Jugendhilfe und der ÖGD, die Sozialversicherungen und die Zivilgesellschaft müssen sich in den Ländern und Kommunen auf der Grundlage einer soziallagen- und sozialraumorientierten Gesundheitsberichterstattung auf gemeinsame Programme zur Gestaltung der regionalen Präventionsketten in den Bundesrahmenempfehlungen und in den Landesrahmenvereinbarungen nach § 20f SGB V verständigen. Die Babylotsen-Programme und die Arbeit der Familienhebammen haben sich bewährt und müssen dauerhaft refinanziert werden.
  • Prävention psychischer Krisen und Förderung seelischer Gesundheit: Stigmaprävention, Unterstützung bei der Bewältigung einer psychischen Krise, die Einbindung von Psychiatrieerfahrenen und die infrastrukturelle Absicherung der Prävention im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge sind Elemente einer partizipativ ausgerichteten Präventionspolitik.
  • Public Health-Forschung: Die lebenslagenbezogene Prävention ist auf Public Health-Forschung angewiesen und muss durch Bund und Länder (und ergänzend die Sozialversicherungen) gesichert werden. Sie richtet ihren Blick auch auf die sozialen Dimensionen von Krankheit und Gesundheit und die Praxis lebenslagenbezogenen Primärprävention.
  • Präventiver Hausbesuch für ältere Menschen: Das für die Bürger: innen freiwillige, niedrigschwellige und aufsuchende Angebot für ältere Menschen (75+) der Information, Beratung, Anleitung und Leistungserschließung, um Gesundheit und soziale Teilhabe zu sichern, hat sich in Modellprojekten bewährt. Der präventive Hausbesuch ist als Element der kommunalen Daseinsvorsorge rechtlich (im SGB XII) zu verankern, die am Gemeinwesen orientierte Altenarbeit ist als Pflichtleistung auszugestalten.
  • Prävention mit langzeitarbeitslosen Menschen: Die oftmals vielfältigen gesundheitlichen und sozialen Probleme langzeitarbeitsloser Menschen machen im Einzelfall eine sektorenübergreifende Bedarfsklärung, Fallbegleitung und Leistungskoordination sinnvoll machen. Präventive Maßnahmen sind ein Baustein unter mehreren. Strukturelle Bedingung ist die Verankerung und Vernetzung der Leistungsangebote in der Kommune.

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